Der folgende Text ist eine Zeitreise. Er entstand aus einer Vorlesung, die ich 1979 hielt, und wurde 1981 in gekürzter Form publiziert. In einer Ära, in der Computer noch raumfüllende, geheimnisvolle Maschinen waren, versuchte dieser Artikel, die fundamentalen Fragen der aufkommenden Künstlichen Intelligenz zu erörtern. Heute, über 45 Jahre später, in einer Welt, in der KI unseren Alltag durchdringt, ist es verblüffend zu sehen, welche dieser frühen Überlegungen Bestand haben.
Damals sprach ich von einer „explosionsartigen Erhöhung der Leistungsfähigkeit von Computern“. Ich konnte nicht ahnen, dass diese Explosion im Vergleich zu heute nur ein Funke war. Die Rechenleistung, die Datenmengen und die Komplexität der Algorithmen haben sich in einem Maße entwickelt, das selbst die kühnsten Prognosen von damals übertrifft.
Und doch sind die zentralen Fragen dieselben geblieben:
- Vom Dame-Programm zu Deep Learning: Das damals als Beispiel dienende Dame-Programm von A.L. Samuel, das durch „verallgemeinerndes Lernen“ seinen eigenen Schöpfer besiegte, mag heute einfach erscheinen. Doch das Prinzip dahinter ist der direkte Vorfahre der neuronalen Netze und des Deep Learnings, die heute AlphaGo zum Sieg über Go-Weltmeister verhelfen und die Grundlage für Sprachmodelle wie ChatGPT bilden. Das grundlegende Konzept – die Maschine lernt aus Erfahrung und verbessert ihre Bewertungsmaßstäbe – ist identisch.
- Die alten Vorurteile im neuen Gewand: Die Vorurteile, die ich damals zu entkräften versuchte, sind heute relevanter denn je. Die Behauptung, „Computer sind nicht kreativ“, wird durch KI-Systeme wie Midjourney oder DALL-E, die auf Knopfdruck Kunstwerke erschaffen, täglich herausgefordert. Die Sorge, eine KI könne „ klüger als ihr Programmierer werden“, ist zur zentralen Frage der KI-Sicherheitsforschung und des „Alignment-Problems“ geworden: Wie stellen wir sicher, dass hochintelligente Systeme mit menschlichen Werten im Einklang bleiben?
- Die Automatisierung der Kopfarbeit ist da: Meine damalige Warnung, dass nach der Handarbeit nun die „Kopf-arbeit“ automatisiert würde, was für viele Menschen einen „Sinnverlust“ bedeuten könnte, ist keine Dystopie mehr. Sie ist die gesellschaftliche Realität des 21. Jahrhunderts. Berufe in der Kreativwirtschaft, im Journalismus, in der Programmierung und in der Wissenschaft werden durch KI fundamental verändert.
Dieser alte Text ist daher nicht nur ein historisches Dokument. Er ist eine Einladung, die heutige, rasante Entwicklung der KI mit einem Blick auf ihre Wurzeln zu betrachten. Er zeigt, dass die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen – ethische, gesellschaftliche und persönliche –, nicht über Nacht entstanden sind, sondern tief in der Logik dieser Technologie verankert sind. Die Metamorphose des Maschinenbildes, die ich 1979 beschrieb, beschleunigt sich weiter, und es ist wichtiger denn je, ihre Richtung mitzubestimmen.
Merzhausen, den 17. August 2025
Karl-Fiedrich Fischbach